Die Straftheorien anhand von Quellen und unserer Überzeugungen


Meiner Meinung nach kann man die Quelle M2 der Spezialprävention zuordnen, da die Priorität auf dem Prinzip der Gleichheit (Z.4) liegt. Dies bedeutet, dass wenn man jemand anderem im Volk Leid zufügt, sich dieses Leid selbst antut. Daraus lässt sich schließen, dass die Spezialprävention vielfach auf Kosten des Vergeltungsgedankens vollzogen wird. Immanuel Kant ist der Ansicht, dass nur das Wiedervergeltungsrecht Qualität und Quantität der Strafe bestimmen kann (Z.11-12), weil alle anderen Arten der Bestrafung hin- und herschwankend sind (Z.13). Aus seiner Sicht existiert kein Ersatz für die Todesstrafe als Befriedigung der Gerechtigkeit (Z.17-18) und keine Gleichartigkeit zwischen einem leidlichen Leben in Gefangenschaft und dem Tod (Z.18-20). Somit kann nur durch den gerichtlich vollzogenen Tod eines beispielsweise Mörders die gewünschte Gleichartigkeit bewirkt werden. Nach Kant soll jedem Menschen genau das wiederfahren, was seine Taten wert sind (Z.29-31). Des Weiteren hat die Spezialprävention zum Ziel, dass der Täter nicht erneut straffällig wird. Man möchte also mutmaßlich zukünftige Täter abschrecken, aber auch erziehen, indem man vorzeigt, was ihnen bevorsteht, wenn sie trotz der Gesetze beispielsweise morden. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist der Schutz der Gesellschaft bei fehlgeschlagener „Sozialisation“. Das Risiko, dass ein Täter erneut straffällig werden könnte, ist enorm hoch. Daher ist es sicherer, seine Tat (z.B. Mord) mit dem Vergeltungsgedanken zu bestrafen. 

Laut der Quelle M4 soll der Nutzen der Straftat kleiner sein, als das Übel, welches ihm für sein Vergehen droht (Z.7-8). Dies bedeutet, dass auf besonders schwerwiegende Straftaten, wie z.B. Mord eine besonders wirkungsvolle Abschreckung folgen muss. Bezieht man sich auf Hans-Ludwig Schreiber, gibt es keine bessere Alternative zur Abschreckung, als die Todesstrafe (Z.12-13). Im zentralen Mittelpunkt steht die Aufrechterhaltung des Gemeinwohls (Z.4), sowie die Sicherheit von Leib, Leben und Eigentum der Menschen (Z.5-6). Aus diesem Grund würde ich die Quelle M4 ebenfalls der Spezialprävention zuordnen, da wie in der Quelle M2 bezweckt wird, zukünftige Täter abzuschrecken und somit von ihren zukünftigen Straftaten abzuhalten, sowie ggf. zu erziehen. 

Die Quelle M5 ist die einzige Quelle der von mir bearbeiteten Quellen, die sich gegen die Todesstrafe ausspricht und sowohl meine, als auch die Meinung der Gruppe wiederspiegelt. Laut Cesare Beccaria ist es fraglich, inwiefern die Todesstrafe in einer wohlorganisierten Regierungsform wirklich nützlich oder gar gerecht ist (Z.3-5). Seiner Meinung nach ist nicht die Härte der Strafe, sondern die Dauer entscheidend (Z.17-19). Wenn, wie beispielsweise in Deutschland, eine lebenslange Freiheitsstrafe nach frühestens fünfzehn Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden kann, ist es selbstverständlich, dass zukünftige Täter eventuell trotzdem straffällig werden und sie diese Art von Strafe nicht abschreckt. Aber wenn lebenslang wirklich lebenslang bedeutet, hat dies eine sehr starke Wirkung auf das menschliche Gemüt. Bezieht man sich auf Beccaria, so ist das stärkste Hindernis gegen ein Verbrechen das lange und andauernde Beispiel eines der Freiheit beraubten Menschen, der zur Last für die Gesellschaft geworden ist (Z.30-32). Daraus kann ich schlussfolgern, dass durch das Bewusstsein, was nach einer Straftat, wie z.B. Mord auf einen zukommt, man diese Straftat eher nicht begehen würde. Im Fazit besitzt die lebenslängliche Gefangenschaft alles, um die Todesstrafe zu ersetzen und somit tatentschlossene Gemüter zurückzuhalten. Die Quelle M5 würde ich daher der Generalprävention zuordnen, da sie Generalprävention auf die Strafhöhe wert legt und aussagt, dass die Dauer der Strafe die stärkste Wirkung auf das menschliche Gemüt hat (Z.17-19). Des Weiteren motiviert die Generalprävention zu allgemeinem Rechtsgehorsam und dient insbesondere als Warnung und Abschreckung vor Straftaten. 

 

Als wir über die Inhalte der verschiedenen Quellen diskutierten, gab es einige Unstimmigkeiten. Es kristallisierte sich heraus, dass wir uns nur der Quelle M5 anschließen können. Die Meinung von Immanuel Kant und Hans-Ludwig Schreiber vertreten wir definitiv nicht und wir können und wollen aus moralischer und persönlicher Sicht, nicht verstehen, wie man glauben kann, dass nur die Todesstrafe das richtige Maß und Mittel zur Bestrafung ist. Bezieht man sich auf Immanuel Kant, so ist dieser der Meinung, dass nur das Wiedervergeltungsrecht die Qualität und Quantität der Strafe bestimmen kann (Z.11-12). Jedermann soll das wiederfahren, was seine Taten wert sind (Z.29-30). Meine Gruppe war da anderer Meinung. Unserer Ansicht nach gibt es definitiv genug andere Möglichkeiten, einen Menschen für seine Vergehen zu bestrafen. Man sollte nicht Gleiches mit Gleichem vergelten. Des Weiteren haben wir uns gefragt, wer vorschreibt, was eine Tat wert ist. Es gibt in diesem Zusammenhang keine Grenzen und es ist eine Definitionsfrage. Ebenfalls fragwürdig ist der Aspekt der Blutschuld des Volkes. Laut Immanuel Kant soll die Blutschuld nicht am Volk haften (Z.31). Damit meint er, dass selbst, wenn ein Volk, welches eine Insel bewohnt, beschließen würde, sich voneinander zu trennen und in alle Welt zu zerstreuen, der letzte im Gefängnis befindliche Mörder vorher hingerichtet werden müsste, damit der Vergeltungsgedanke erfüllt wird und die Blutschuld nicht am Volk haftet. Das Volk wäre also der Ansicht, dass sie die Schuld tragen, wenn sie beispielweise nicht gegen einen Mörder vorgehen und diesen zum Schutz der Gesellschaft und der Gerechtigkeit wegen ermorden. Doch würde das Volk nicht umso mehr Schuld tragen, wenn sie Gleiches mit Gleichem vergelten? Sind sie dann nicht selbst genauso Mörder? Ebenso fragwürdig sind die Ansichten von Hans-Ludwig Schreiber. Er ist der Ansicht, dass die Todesstrafe für Kapitalverbrechen, wie z.B. Mord gerechtfertigt ist (Z.13-14) und man sie bei besonders schwerwiegenden Straftaten anwenden müsse, da eine besonders wirkungsvolle Abschreckung notwendig sei. Er ist außerdem der Ansicht, dass keine Strafe zukünftige Täter besser abschreckt, als die Todesstrafe (Z.12-13). Doch ist der Tod wirklich die schlimmste Aussicht? Für manche Menschen ist der Tod vielleicht gar nicht die schlimmste Strafe, die sie sich vorstellen könnten. Die Definition der Strafe ist somit relativ. Möglicherweise schreckt eine lebenslängliche –und damit meine ich auch wirklich lebenslängliche– Haft mehr ab, als der Tod selbst. Ebenso fragwürdig ist der Schweregrad der Straftat. Wer legt fest, welche Straftat wirklich schlimm ist und wer legt fest, welches Vergehen welche Strafe verdient?

Nur Cescare Beccaria spiegelt unsere Meinung zur Todesstrafe in der Quelle M5 wieder. Er ist der Ansicht, dass es fragwürdig ist, ob die Todesstrafe wirklich nützlich oder gar gerecht ist (Z.3-5). Des Weiteren ist seiner Meinung nach nicht die Härte der Strafe, sondern ihre Dauer ausschlaggebend (Z.17-19), da die Dauer die stärkste Wirkung auf das menschliche Gemüt hat. Wir sind ebenfalls dieser Ansicht, da ein Mensch in einer lebenslangen Haft immer wieder gedanklich mit seinem Vergehen konfrontiert wird und Schuldgefühle bzw. Gewissensbisse entstehen könnten und durchaus schlimmer sind, als der Tod, welcher für manche Straftäter möglicherweise eher eine Erlösung darstellt. Das stärkste Hindernis gegen ein Verbrechen ist also das lange und andauernde Beispiel eines der Freiheit beraubten Menschen, der zur Last für die Gesellschaft geworden ist (Z.30-32) und die lebenslängliche Knechtschaft bietet alles, um die moralisch fragwürdige Todesstrafe zu ersetzen. 

Martin Klingst wägt im Fall Saddam Husseins das Für- und Wider der Todesstrafe ab, da er kein „gewöhnlicher“ Totschläger war. Er war ein Massenmörder, der Hunderttausende Menschen einsperren, foltern und töten ließ (Z.12-14). Des Weiteren überfiel er die Nachbarländer und brachte Tausende Kurden mithilfe von Giftgas um (Z.14-15). Es gibt einige Vor- und Nachteile im Zusammenhang mit dieser Art von Bestrafung. Doch im Falle Husseins verblassen die üblichen Einwände gegen die Todesstrafe. Gegen die Todesstrafe spräche z.B., dass sie grausam sei, weil der Hinzurichtende auf unmenschliche Art und Weise leiden muss (Z.18-19). Außerdem sei sie archaisch (Z.20), also veraltet, da sie dem Prinzip der Rache entspricht (Z.20). Klingst ist außerdem der Ansicht, dass die Todesstrafe mutmaßliche Täter nicht abschreckt (Z.21). Das wesentlichste Argument gegen die Todesstrafe ist jedoch, dass sie nicht umkehrbar ist (Z.22). Die Justiz kann einen Irrtum nicht rückgängig machen (Z.22-23) und somit könnte es zu dem furchtbaren Fehler kommen, dass ein unschuldiger Mensch sterben muss. Saddam Hussein hat das Land ins Unheil gestürzt und viele Menschen wollten unter seine Regentschaft bzw. Diktatur endlich einen Schlussstrich ziehen (Z.26-28). Wäre es nicht gerecht, den Menschen, der das Land ins Unheil gestürzt hat, zu ermorden und ihn somit für seine Vergehen zu bestrafen? Trotz allem zweifle ich an der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens und an der Unabhängigkeit der Justiz.

 

                                                                        (Bild 4: Saddam Hussein)

 

Der Tod durch den Strang und daher auch die Todesstrafe an Hussein war ein Fehler, weil er die tragische Gewalt im Irak fortsetzte und sogar beschleunigte (Z.33-35). Zudem hatte das Gericht nur einen kleinen Teil seiner Vergehen angeklagt und seine großen Menschheitsverbrechen, wie z.B. das Kurdenmassaker von Halabdscha, kamen gar nicht zur Sprache (Z.36-38). Die Todesstrafe ist ein Skandal (Z.42), da kein Staat das Recht hat, einen Menschen, der sich wehrlos in seiner Hand befindet, zu vernichten (Z.42-45). Genau diese Situation trifft auf einen im Gefängnis sitzenden Verbrecher zu, da er dem Staat ausgeliefert ist. Der Staat stellt mit diesem Verhalten seine eigene Legitimation infrage (Z.46), da seine eigentliche Aufgabe der Schutz allen Lebens ist (Z.46-47). Die Achtung der Menschenwürde und die Achtung des Lebens, ist unantastbar und somit aller staatlichen Gewalt übergeordnet (Z.52-54). Martin Klingst schreibt: „Wer einen Menschen zum Tode verurteilt, nimmt ihm sein Leben und raubt ihm damit seine Würde (Z.54-56)“. Die Todesstrafe ist im Umkehrschluss nicht mit der Achtung der Menschenwürde und des Lebens vereinbar. Jedoch war es ein großer Schritt der menschlichen Zivilisation, dass sich der Staat zwischen die privaten Rächer stellte (Z.48-50). Damit ist gemeint, dass der Staat durch sein Eingreifen verhindert, dass sich Privatpersonen eigenständig an den Tätern rächen und somit Selbstjustiz begehen. Dies würde ich durchaus als Vorteil ansehen. 

Zusammengefasst bin ich der Ansicht, dass die Nachteile der Todesstrafe überwiegen und man nicht Gleiches mit Gleichem vergelten sollte. Saddam Hussein war in der Tat kein ehrenhafter Mann oder gar ein guter Mensch, doch die Todesstrafe widerspricht der Achtung der Menschenwürde und des Lebens. Es gibt genug andere Alternativen einen Menschen seine Fehler vor Augen zu führen und möglicherweise hätte man mit einer lebenslangen Haft für Hussein mehr erreicht, als mit seinem Tod. Hätte man ihm die nötige Gnade erwiesen, hätte dies Frieden repräsentiert und die tragische Gewalt im Irak nicht weiterhin geschürt und beschleunigt. Kein Mensch hat es verdient, aufgrund seiner Fehler zu sterben und dennoch sollte eine angemessene Strafe vollzogen werden. 

(Sina Marie Dreißig)